wolfgang schumacher
Ellen Loh-Bachmann (Eloba), Vorsitzende der AG Leverkusener Künstler Eröffnungsrede zur Ausstellung „Korrespondenzen“ mit Vera Leweke, Rathaus der Stadt Burscheid, 2023 (Auszüge)
Wolfgang Schumacher gehört zu den Gründungsmitgliedern 1999/2000 der in Burscheid wichtigsten Kultur-Location, eben diesem Kulturverein Burscheid, wie auch 1985 der Leverkusener Künstlergruppe „art venture“ mit Matthias Conrad und René Dahm. Seit 1990 ist er Mitglied der AG Leverkusener Künstler, hier, ich komme ich ins Spiel, korrespondieren wir im AG-Vorstand. 2016 erhielt er im Rahmen des Europäischen Künstlerwettbewerbs der Europa-Union die Anerkennung als Europa-Künstler. Ich erspare Ihnen die Aufzählung der Vielzahl seiner Ausstellungen, möchte aber eine erwähnen aus dem Jahr 2022: Die internationale Ausstellung „Kunst gegen den Krieg – Solidarität mit der Ukraine“ in der Galerie im Forum Leverkusen, denn hier gab es meines Wissen das erste Mal eine künstlerische Korrespondenz zwischen Leweke und Schumacher, zusammen mit mehr als 100 Künstler*innen aus aller Welt. Wolfgang Schumacher korrespondiert mit beiden Gefühlswelten, der dunklen und der hellen, – mit der dunklen, dem südwestenglischen Dartmoor, das eine andere triste Welt, eine wilde Düsternis selbst an hellen Tagen widerspiegelt, an finstere Gruselgeschichten erinnert wie etwa an Sir Arthur Doyles Hund von Baskerville, – mit der hellen, dem Kölner Barbedarfsladen von Allesandro Romano, über den Schumacher mit flotter intuitiver Überzeichnung die Fülle und Lebensfreude betont, und die Perspektive des Hauses der Rosebud-Bar im Quartier Latäng erhält durch diese Überzeichnung eine imposante dynamische Wirkung. An den Titeln erkennen Sie es: Beide Serien, Dartmoor und Köln, erfüllen die Idee eines künstlerischen optischen Notizbuches mit Ausgangspunkt Schwarz-Weiß- Fotografie ohne Rücksichtnahme auf technische Perfektion, Grundlage der Ölbilder, zum Beispiel der malerisch umgesetzte Moment am 28.07.2016, Köln um 13.55 Uhr, vor der Rosebud Bar. Beide, Vera Leweke und Wolfgang Schumacher reduzieren diese Themenbilder mit schwarz-weißen Tonabstufungen auf das Wesentliche, betonen die empfundene Stimmung mit einem gelben/ockergelben Farbzusatz. Während Vera Leweke kleine Farbflächen, Verläufe anwendet, überzeichnet Wolfgang Schumacher seine Ölbilder mit Ölkreiden in dieser gleichen Farbe. Die Ölkreide erfüllt hier die Aufgabe des Bleistifts, setzt aber die Zeichnung nicht wie gewöhnlich unter, sondern auf das Bild. Die Regel wird auf den Kopf gestellt. Das kräftige Leweke-Blau korrespondiert mit den Blautönen in Schumachers Serie „Der fragmentierte Blick“, mal stark intoniert, mal transparent angedeutet. Was ihre Sujets sind, spart er in dieser Serie der Fragmente aus, die sich mit unseren Sehgewohnheiten auseinandersetzt und die er letztendlich malerisch aushebelt. Alles, was über den vom Auge fixierten Punkt hinausgeht, sehen wir unscharf. Wir müssen das Auge wandern lassen, um weitere (Seh-)Erkenntnisse zu gewinnen. Schumachers philosophische Frage: Kann die Erkenntnis auch in umgekehrter Folge, also durch Weglassen oder Entfernen gewonnen werden? Wie verändert sich der Blick, wenn eine Stadt, Straße, ein Gebäude nur noch als Fragment gesehen wird? Schärft sich der Blick auf das Relikt, wird es bewusster wahrgenommen? Gewinnt es eine andere Bedeutung, als nur ein Teil zu sein? Und was ist ein Teil, was das Ganze? Auf der Leinwand stellt Schumacher diese Frage, indem er einen Teil aus dem Gesamt-Bild auswählt, quasi ausschneidet, und das so entstandene Fragment mithilfe einer schwarzen Linie betont und vor einen, nun freien, neuen – blau gestalteten – Hintergrund platziert. Die schwarze Umrandung war schon zuzeiten des Expressionismus ein gängiges Stilmittel, um Sujets besonders hervorzuheben, wie u.a. bei einigen Werken von Alexej von Jawlensky zu sehen ist. Bei Schumacher hat der schwarze Strich Doppelbedeutung, die Betonung des Fragments und das Abgrenzen des Hintergrunds, der zur abstrakten Fläche wird, mit gestischer Pinselführung, Farbverläufen oder Schlieren. Der Zufall gewinnt Raum und hebt sich vom konkreten realistischen Bildgegenstand bewusst ab. Besondere Betonung erfahren die kleinformatigen Fragment-Bilder - durch den weißen Rahmen und das Aufbringen auf einer großzügigen weißen Holzplatte, die den Fragmenten einen weiteren Hintergrund hinzufügen. Die Wahl der Fragmente kann sowohl sehr bewusst als auch intuitiv, zufällig erfolgen. Die Serie behandelt die verschiedensten Stadtlandschaften in Deutschland, England, Frankreich, Italien, in den Niederlanden – Reiseerinnerungen als Fragment-Werk. Am Ende meines Rundgangs – Be smart! Mag sein, dass dies von Schumacher auch als Aufforderung ans Publikum gemeint ist, aber ganz sicher ist es ein Hinweis auf Panoramafotos, die vom Künstler per Handy geschossen wurden. Etwaige fotografische Fehler und Mängel, Verzerrungen, Rauschen, Überblendungen des Motivs werden bewusst belassen, in Öl wiedergegeben, auf schwarz grundierten Pappwabenplatten, um den experimentellen Charakter weiter zu unterstreichen. Es erfolgt die Ihnen bereits bekannte Überzeichnung, hier mit Grafitstift. Wie im Smartphone vorgegeben, unterteilt Wolfgang Schumacher das Panoramagemälde mittels weißer Begrenzung und Richtungspfeilen in den allseits bekannten Dreierklang. Auch das Thema Licht ist in dieser Serie von großer Bedeutung, wird in unterschiedlichsten Varianten festgehalten, dem Moment entnommen, begrenzt, ergänzt durch digitales Kameralicht, erweitert mithilfe des Lichts der Computertechnik. Dazu kommt das Licht der gemalten Farben, das durch den Grafitstift noch weiter aufgebaut wird. Das fertige Bild verändert seinen Lichtfluss im Kunstlicht, Tageslicht, Scheinwerferlicht, jedes Mal anders. Ein komplexes Thema, dem Wolfgang Schumacher in dieser Serie nicht nur philosophisch auf der Spur ist.