wolfgang schumacher
Der Dom wird ganz klein Von Jürgen Kisters, 26.03.2007 Kalk - Fotografien haben mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts die Funktion des Dokumentierens übernommen, die einst die Malerei innehatte. Spätestens seit der Franzose Eugene Adget um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert systematisch die Straßen aller Pariser Stadtviertel akribisch in unzähligen Aufnahmen festhielt, steht die Fotografie als Domäne der bildlichen Ortserkundung fest. Zwischen Erinnerung und Verwandlung erscheint nahezu jeder Raum in unserer Lebensumgebung inzwischen in Fotografien festgehalten zu sein. Etwas Besonderes aber bleibt dagegen die Dokumentation der städtischen Umgebung durch gemalte Bilder. Der in Burscheid ansässige Wolfgang Schumacher (Jahrgang 1957) betreibt dieses ebenso neugierige wie einfühlsame Unternehmen. Er folgt mit sicherer Pinselführung der realistischen Genauigkeit des fotografischen Abbildes und geht zugleich einige entscheidende Farbtupfer darüber hinaus. Seine malerische „Dokumentation“ unzähliger bekannter und unbekannter, zentraler und abgelegener, markanter und unscheinbarer Orte Kölns ist derzeit in einer Ausstellung in der VHS-Galerie im Bürgeramt Kalk zu sehen. Mächtig ragt der neue gläserne LVR-Hochhausturm in die Höhe und drückt den Bahnsteigen des Deutzer Bahnhofs seinen architektonischen Stempel auf, während der Dom klein und unbedeutend dasteht. Enge graue Fassaden bestimmen die Gegend um den Barbarossaplatz, über den Autos und die Straßenbahn sich hinwegbewegen wie durch einen Canyon. Weit und offen erscheint dagegen der Blick vom Rheinpark auf den Rhein und die Mülheimer Brücke. Und in einem fast magischen Licht leuchtet das Rund der Glasarchitektur der Kölnarena bei einer Veranstaltung am Abend. Überall in der Stadt hat Schumacher sich umgesehen: am Eigelstein, am Blaubach, Unter Krahnenbäumen, an der Baustelle der alten Messehallen, in Lottes Haifischbar, im Rhein-Energie- Stadion, am Fuß der Rodenkirchener Brücke und am Bahndamm neben dem Schlachthof. Er hat seine Eindrücke anschließend mit Hilfe fotografischer Momentaufnahmen und ebenso leichter wie präziser Hand auf die Leinwand gebracht. Einmal als kleine Ölfarbskizze und eine Spur abstrahiert, indem die Flüchtigkeit der Augenblickswahrnehmung betont wird. Andere Male im ausgearbeiteten Großformat, das den Status der klassischen Malerei beansprucht. Poesie und sinnliche Präsenz sind der wesentliche Unterschied von Schumachers gemalten Städtebildern im Vergleich zu den vielen Fotografien, die seit einem Jahrhundert unsere Stadtansichten bestimmen. Besonders deutlich wird dieser Unterschied zu den im Detail hochpräzisen, gestochen scharfen Fotos der derzeit aktuellen, hoch bezahlten Künstlerfotostars wie Andreas Gursky und Thomas Struth. Anders als die Kälte und Unpersönlichkeit in deren moderner Medienpoesie zeigt Schumachers Malerei, dass die Stadt ein sinnlicher Organismus mit spürbarem Bodenkontakt ist. Es gibt keine Stadterfahrung ohne eine empfindende Dimension, in der Bezauberung und Widerstreben oft unverwechselbar nah beieinander liegen. Die Art der Empfindung hängt zuweilen vom Licht eines Momentes oder der Nuance einer Stimmung ab, sogar an einer unwirtlichen Stätte wie dem Barbarossaplatz.