wolfgang schumacher
Hans Schmitz, Literat Eröffnungsrede zur Ausstellung in der Hagenring-Galerie, Hagen, 2011 Als ich gebeten wurde, die einleitenden Worte zur heutigen Ausstellungseröffnung zu sprechen, habe ich gern zugesagt. Verfolge ich doch mittlerweile seit Jahrzehnten die Entwicklung und die Werke meines Freundes mit großem Interesse und Begeisterung. Und so freue ich mich und – fühle mich geehrt, inhaltlich in diese Ausstellung einführen zu dürfen, indem ich Ihrer eigenen Betrachtung und Auseinandersetzung mit den Bildern einige grundlegende Gedanken vorwegschicke. Beginnen möchte ich mit dem Künstler Wolfgang Schumacher, seiner typischen Arbeitsweise und seinem Werk, wie es sich mir bisher erschlossen hat, bevor ich Sie dann neugierig machen möchte auf die 18 Exponate dieser Ausstellung und deren Titel „Tools“, der nicht nur mit Wolfgang Schumacher künstlerischer Weiterentwicklung, sondern auch mit allgemeinen Veränderungen kreativer Gestaltungsmöglichkeiten und unserer Alltagswahrnehmung zu tun hat. Ein Großteil der Bilder Wolfgang Schumachers verdeutlicht zunächst einmal, dass er ein großer Verehrer seiner Vaterstadt Köln ist. So lässt er sich durch vielfältige Eindrücke aus der Stadt am Strom inspirieren. Er malt dabei seine Bilder, nachdem er die Motive vor Ort fotografiert hat. In seinem Atelier zuhause im Bergischen Land konstruiert und komponiert er dann seine Werke, die in einer ganz besonderen Art und Weise das repräsentieren, was und vor allem wie er es erlebt und wahrgenommen hat. So ist Wolfgang Schumacher, vom Fotorealismus kommend, im Laufe der Zeit immer mehr dazu übergegangen, Bewegungsformen in seinen Bildern auszudrücken. So finden sich z.B. gerade in seinen „Stadträumen“ fließende Momentaufnahmen, flüchtig erfasste Augenblicke – großflächige Panoramen, aber auch eigenwillige Detailausschnitte. Unterschiedlichste Ausstellungen befassten sich mit diesen urbanen Räumen, wobei nicht nur Köln, sondern auch Eindrücke aus anderen Städten wie z.B. Berlin, München, Paris, Rom oder Toronto verarbeitet wurden. Aus diesem Kontext heraus entwickelte er in jüngerer Zeit die Darstellungen von Menschenansammlungen, in der das Individuelle zugunsten der Auseinandersetzung mit der „Masse Mensch“ als vielteiliges Ganzes zurück gedrängt wird. Zudem erschuf er eindrucksvolle Landschaftsbilder, nicht nur aus seinem Bergischen Umfeld, sondern auch aus anderen Regionen, vor allem hier der Industriekultur des Ruhrgebietes, die ihn stark inspiriert – wobei hier eine gewisse „erbliche Vorbelastung“ eine Rolle spielen mag, erlernte Wolfgang Schumacher als Kind doch bereits den kreativen Blick auf Industriearchitektur und industrielle Prozesse, wenn er die Arbeit seines Vaters, der als Werksfotograf in einem Leverkusener Stahlunternehmen arbeitete, wahrnahm. Heute sind es vor allem die Industriebrachen und stillgelegten Fabriken, die ihn anziehen. So gilt sein besonderes Augenmerk den ehemaligen Industriestandorten im Ruhrgebiet. Sei es die künstlerische Umdeutung der alten Industriekultur als potenzielle „Bühnenlandschaften“ oder einfach nur die, durch die Umgebung entstandenen Gesamträume und Details – für Wolfgang Schumacher gab und gibt es jede Menge Inspirationen in dieser Region, die, wie kaum eine andere in Deutschland in den letzten Jahrzehnten einer so grundlegenden Veränderung unterworfen ist. Diesen Wandel bildnerisch zu begleiten, sieht er als reizvolle Aufgabe. Wie sehr sich seine Bilder aus diesem Kontext vom streng Abbildhaften der Fotografie unterscheiden, können Sie an zwölf Bildern dieser Ausstellung erkennen, deren Namen allesamt die Städte bezeichnen, in denen die Motive entdeckt wurden. An dieser Stelle setzt der Bezug zum Titel der Ausstellung „Tools“ an. Das neudeutsche „Tools“ heißt in der deutschen Übersetzung ja nichts anderes als „Werkzeuge“ – nur denken wir dabei eher an Handwerk, an Industrie, als an die Bedeutung, die dem Anglizismus beispielsweise in anderen Lebensbereichen, wie z.B. im Managementkontext oder der Informationstechnologie zukommt. An „Werkzeuge“ lassen die 12 Bilder – sechs groß- und sechs Kleinformate eher denken, an Handwerk und industrielle Fertigung. Vor allem das Bild „Leverkusen“ passt gut in die Vorstellung, ist dort doch ein Motiv aus dem „Sensenhammer“, einer ehemaligen Produktionsstätte für Sensen, dargestellt. Allerdings sind es nicht nur die Motive, die Industrie – „Werkzeuge“ zeigen. Vielmehr geht Wolfgang Schumacher bei diesen Exponaten über die reine Malerei hinaus und beschädigt die aufgetragenen Farbschichten, fügt Kratzspuren hinzu, mischt der Farbe originale Rostpartikel bei, was dazu führt, dass er letztlich den erkennbaren Alterungsprozess des Originals auch auf das Gemalte überträgt. Somit erweitert sich hier das „Handwerkszeug“ des Malers, tritt neben die reine Malkunst eine zusätzliche, haptische Komponente. Spannend ist z.B. die Kombination im Bild „Duisburg“, 2011 im Landschaftspark Duisburg – Nord entstanden, wo vor den industrielle Objekten ein alter, mächtiger Baumstamm zu sehen ist, der von Wolfgang Schumacher in ähnlicher Form bearbeitet wurde, wie die dahinter befindliche Stahlkonstruktion – hier wird verdeutlicht, dass nicht nur die Technik, sondern auch die Natur dem Alterungsprozess unterworfen ist. Eine extreme Nahsicht gewährt Wolfgang Schumacher in seinem Bild „Herten“, das Sie auf der Ausstellungseinladung finden. Ein weiteres Beispiel, stellvertretend für etliche seiner Werke, in denen nur ein Ausschnitt, nicht aber das Objekt in seiner Gesamtheit die Aufmerksamkeit des Betrachters fesselt. In reizvollem Kontrast zu den industriellen Bildern stehen die restlichen sechs Bilder – im Übrigen eine Premiere für Wolfgang Schumacher, der sich zum ersten Mal der Herausforderung stellt, Tiere abzubilden. Allerdings geht es hier nicht um deren realistische Darstellung oder tiefere Aussagen. Vielmehr nimmt Wolfgang Schumacher die Tiere – ähnlich wie auch bei seinen „Menschenmassen“ als reine Betrachtungsobjekte, um dann neue Strukturen und Betrachtungsweisen zu kreieren. Hinsichtlich der Entstehung dieser sechs Exponate kommt nun wieder der Ausstellungstitel „Tools“ zum Tragen. Zudem stellt sich die Frage, was anders ist bei diesen sechs Bildern als bisher. Gleich geblieben ist das Prinzip, die Objekte zu fotografieren und dann malerisch umzusetzen. Allerdings bedient sich Wolfgang Schumacher hier im Vergleich zu seinen sonstigen Arbeiten, den zur Verfügung stehenden Filtern der digitalen Fotografie – eben den „Tools“, mit denen er die ursprünglichen Fotografien signifikant verändert. Das heißt, im Vergleich zu seinem bisherigen Vorgehen, ist ein zusätzlicher Arbeitsschritt hinzugekommen – waren es bisher „normale“ Fotos, die als Grundlage der Bilder dienten, ist durch die „Tools“ bereits eine Entwicklung dieser Fotografien vorweg genommen worden. Die Titel der Bilder sind ergänzt um die Filter, mit denen die Fotos bearbeitet wurden, bevor Wolfgang Schumacher sie dann schließlich malerisch vollendete. Dadurch entstehen reizvolle Effekte, wie z.B. beim „Elefant“. Hier wird durch die Erhöhung von Helligkeit und Kontrast und die typische Reduktion auf einen Detailausschnitt vor allem die archaische, runzlige Struktur hervorgehoben und durch dieses Zusammenspiel ein ganz neuer Blick auf den Tierkörper ermöglicht. Oder die „Flamingos“, bei denen wir starke Strukturen erkennen können, die ein Bild entstehen lassen, das von seiner Farbgebung und technischen Umsetzung an die Arbeitsweise von van Gogh oder Franz Marc erinnert – hervorgerufen aber vor allem durch die Buntstiftschraffur, die bei der Fotobearbeitung diese Techniken der alten Meister im Grunde genommen vorweg genommen hat und eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Gestaltung des Gesamtkunstwerkes einnimmt. Mit dem Titel „Tools“ werden die Kontraste beider Bildgruppen deutlich und schließlich Programm. Die „Werkzeuge“ des alten Industriezeitalters werden nach und nach durch moderne „Tools“ in unserer Gesellschaft abgelöst, Wolfgang Schumacher versteht sich auf beide Varianten und – nutzt sie gleichermaßen. So wie der digitale Technikeinsatz die Fotografie revolutioniert und weiterentwickelt hat, gilt es, Begriffe wie „Fotorealismus“ neu zu hinterfragen. Wurde bislang die klassische Fotografie mit einer möglichst unverstellten Sicht der Realität in Verbindung gebracht, sind es gerade die Tools der digitalen Bildbearbeitungsprogramme, die in technisch brillanter Weise die Fotos weiterentwickeln und somit neue Realitäten schaffen – nicht zuletzt durch massenhafte Verbreitung im individuellen Kontext oder im Internet. Wolfgang Schumacher demonstriert mit seinen Bildern nicht nur den möglichen Kreativitätsgewinn, sondern bildet auf spannende Weise die technische Entwicklung unserer Gesellschaft ab – uns als interessierten Betrachtern soll es Recht sein!